Buchkritik „Mein Abschied vom Himmel“ von Hamed Abdel-Samad

Für gewöhnlich schreibe ich keine Buchkritiken, aber dieses Buch muss man selbst als Leser irgendwie verarbeiten:

Wer bei dem Titel Mein „Abschied vom Himmel“ ein sachliches Buch über den Islam erwartet, der wird enttäuscht. Das Buch ist eine Autobiographie.

Das Buch ist sehr lebendig und sehr detailliert geschrieben, so dass der Leser das Gefühl hat als Voyeur dabei gewesen zu sein. Die zentralen Fragen des Buches, sind die Fragen über das Gottesbild. Also: Wer er ist Gott? Was will er? Wie kann ich ihn erreichen oder finden? Allgemeiner könnte man formulieren, dass Abdel-Samad auf der Suche nach dem Sinn des Lebens ist. Er kann niemanden, der die Antwort kennt, finden und deckt stattdessen Widersprüche auf und versucht vor sich selbst zu fliehen.

Abdel-Samads Welt ist eine sehr düstere Welt, obwohl es durchaus schöne und komische Momente gibt. Das Beeindruckendste am Buch ist die schonungslos ehrliche, sachliche und mutige Erzählweise über das Erlebte und seine Gefühle. Er beschreibt unter anderem wie er als Kind vergewaltigt wurde, sein erstes Mal, seine sexuelle Erregung gegenüber mehreren Kindern und seinen Aufenthalt in den Psychiatrien. Dabei ist er in der Lage in wenigen Sätzen geniale Sozialkritik, nicht zu verwechseln mit dem Gutmenschengewäsch, über gleich drei verschiedene Kulturen treffend zu schreiben. Er bricht mit seinem Buch gleich mehrere Tabus über Sexualität, Religion und Politik in der arabischen Welt. Das Buch verursachte Kontroverse Diskussionen in Ägypen, wobei der eine Teil der Leser das Buch und den Autor als unislamisch verteufelt und der andere Teil (hauptsächlich junge und/oder gebildete Menschen) das Buch gut finden.

Ich persönlich finde das Buch beeindruckend. Beeindruckend ehrlich. Beeindruckend traurig. Absolut Lesenswert!

 

Über Hamed Abdel-Samad

Hamed Abdel-Samad wurde 1972 in einem Dorf in der Nähe zu Kairo geboren. Er hat in Ägypten Fremdsprachen und in Deutschland Politikwissenschaften studiert. Bekannt geworden ist er mit seinen Büchern „Mein Abschied vom Himmel“ und „Der Untergang der islamischen Welt“ und durch die beiden Staffeln der satirischen Deutschlandreise „Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“ mit Henryk Broder.

Hamed Abdel-Samads sprachliche Fähigkeiten, sein phänomenales Gedächtnis und sein introvertiertes Grübeln sind für ihn gleichzeitig ein Segen und ein Fluch.